Ich gehe mit meiner Stute spazieren. Der Sommer neigt sich langsam dem Ende zu, die Temperaturen fallen, der Wind erhebt sich hin und wieder und die Felder werden abgeerntet.
Ich gehe mit meinem Pferd unseren üblichen Weg an verschiedenen Feldern vorbei und schließlich erblicken wir es: Das erste Stoppelfeld des Jahres!
Sofort schießen die Gedanken durch meinen Kopf: „Oh nein, gleich biegt bestimmt die nächste Gruppe von Reitern um die Ecke, steuert zielstrebig auf das Stoppelfeld zu und gibt richtig Gummi. Mein Pferd bricht in Panik aus, fängt an zu tänzeln, reißt sich schließlich los und galoppiert von dannen.“
Der Adrenalinpegel steigt und ich überlege, sofort umzudrehen.
Wieder in der Realität angekommen, sehe ich zunächst meine Stute. Sie schaut mich etwas unverständlich an, als ob sie sagen wollte, dass wir diese Phase doch wohl vor langer Zeit hinter uns gelassen haben.
Ich schaue mich also noch mal genauer um.
Das Stoppelfeld liegt dort in seiner ganzen Idylle. Weit und breit kein Mensch und für mich auch kein anderes Tier zu sehen. Ein lauer Sommerabend, man blickt nun anstatt auf dichte Maispflanzen auf die von mir so geliebte Weite am Niederrhein.
Wo bitte war also mein Problem?
Ich dachte zurück. Damals, in der Reitschule. Es wurden regelmäßig Ausritte veranstaltet. Ausritte, die in meiner Erinnerung jedes Mal in einem Fiasko endeten.
Menschen, die im wilden Galopp spontan und unfreiwillig abstiegen;
Pferde, die vor lauter Übermut irgendwo ausrutschten und samt Reiter hinfielen;
gerissene Zügel;
Pferde, die mit wehenden Sattelblättern alleine zum Stall zurückrannten etc etc.
Mein Horizont in der Pferdewelt war damals noch recht begrenzt. Ich wollte gerne die Freiheit auf dem Pferderücken erleben und ließ mich immer wieder mal zu den Ausritten überreden.
Ich kannte mich in der Gegend mit all den Feld- und Wirtschaftswegen nicht aus, und meine latente Angst im Sattel trug auch nicht dazu bei, dass ich mir Wege oder gar ganze Routen merken konnte. Ganz im Gegensatz zu den Pferden, die alle Rennstrecken natürlich bestens kannten.
Für mich kamen die Stoppelfelder oder Wiesen, die unser Verein benutzen durfte, also immer sehr plötzlich um die Ecke. Mein Reitlehrer sagte: „So, wenn wir gleich da vorne um die Ecke reiten, bleibst du auf jeden Fall hinter mir.“
Wir ritten also um die Ecke und dann – als ob ich irgendeine Wahl gehabt hätte – ging es auch schon los. Alle Pferde im wilden Galopp, an Lenken oder gar Anhalten war nicht im entferntesten zu denken. Nach einer irre schnellen Runde (ich hatte auch keine Ahnung, in welche Richtung die Runde ging oder wo sie zu Ende war), wurden alle Pferde wieder langsamer und wir setzten unseren Ausritt im Schritt fort.
Man, was hatte ich für eine Angst vor diesen Feldern! Diese Angst begann bereits am Vorabend und hielt sich den ganzen Ausritt über.
Aber irrsinnigerweise hatte ich auch einen riesigen Spaß, auf diesem Pferd im Jagdgalopp an meinem Reitlehrer vorbei zu ziehen!
Aber diese Angst hat sich scheinbar bis heute gehalten. Obwohl ich nun seit vielen Jahren einen ganz anderen Umgang mit meinem Pferd pflege, keine Chaos-Ausritte mehr unternehme und auch keinen Überredungsversuchen mehr nachgeben, etwas zu tun, was mir selbst nicht sicher erscheint. Obwohl ich seit nunmehr 2 Jahren aufgrund des Gesundheitszustandes meiner Stute überhaupt nicht mehr reite.
Allein der Anblick des Feldes hat all die alten Emotionen wieder hervorgebracht.
Was hab ich also getan?
Ich bin mit meinem wunderbaren Pferd im entspannten Schritt am langen Seil eine Runde auf dem Stoppelfeld spazieren gegangen. Wir haben eine Pause auf dem Feld gemacht, gemeinsam in die Ferne geblickt und uns der gemeinsamen Zeit erfreut.
Wo all der Stress hin war? Vielleicht ist er gemeinsam mit der Sonne einfach untergegangen.
Hallo Linda,eine tolle Geschichte!!!?LG Grit
Vielen lieben Dank 🙂